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Between the Seasons

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Von Natalie Berry

Der Film Between The Seasons zeigt Natalie Berry in ihrer neuen Heimat Chamonix, das Bergsteiger Mekka in den französischen Alpen. Die ruhige Zwischensaison im Herbst ist eine gute Gelegenheit um neue Boulder-Routen zu finden. In unserem Blog berichtet sie von ihrem ersten Boulder in der Hochgebirgswelt über Chamonix. 

Obwohl das Reisen eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist, finde ich es körperlich und emotional auch ganz schön verwirrend. Mein Hirn kommt oft nicht mit den schnellen Ortswechseln klar. Wie kann man innerhalb so kurzer Zeit auf einmal an einem völlig anderen Ort sein?

Vor 24 Stunden stand ich noch vor dem Haus meiner Großeltern in Huyton, Liverpool, wo ich die ersten drei Jahre meines Lebens verbrachte. Ich verabschiedete mich von meiner 86-jährigen Großmutter, die – trotz ihrer lebendigen Art – nicht den Luxus hatte, mit dem Flugzeug zu reisen oder Abenteuersport zu betreiben, als sie in meinem Alter war.

Jetzt stehe ich auf 2317m Höhe im Herz der französischen Alpen auf der Plan de L’Aiguille: ein mit Granitblöcken übersätes Plateau an der Mittelstation der Seilbahn auf den berühmten Aiguille du Midi, dem Wahrzeichen des Mont Blanc Massivs und der Alpen.

Im Tal unten liegt Chamonix – erst vor kurzem bin ich wegen der Berge und unendlichen Klettermöglichkeiten hierher gezogen. In der Hochsaison im Sommer und Winter schieben sich Massen von Touristen aus allen Ländern der Welt durch den kleinen Ort; Läden, Restaurants und Hotels quellen über und die Berge sind voll mit Kletterern und Wanderern.

Wenn der Herbst kommt und die Sommersaison sich dem Ende zuneigt, zieht es die meisten Menschen zum Sommerschlussverkauf in die Luxusläden oder in die warmen, gemütlichen Cafés. Innerhalb weniger Tage leeren sich die Straßen und es sind immer weniger Kletterer und Wanderer in den Bergen zu finden. Die Ruhe und der plötzliche Frieden fühlen sich fast schon unheimlich an. Chamonix wird zur alpinen Geisterstadt.

Mit dem Herbsttau und den sinkenden Temperaturen neigt sich der Trubel dem Ende zu. Aber in dieser Einsamkeit liegt Schönheit: Das grelle Licht des Sommers zieht sich zurück und die Natur ist in Sepia- und Ockertöne getaucht. Die Blätter an den Bäumen im Tal werden bunt und die Berge sind mit dem ersten Schnee bedeckt.

Ich nehme die Gondel von der Ortsmitte und mir stechen die Betonpfeiler und Kabel ins Auge, die sich durch die Landschaft ziehen. Bequem für die Menschen, aber schlecht für die Natur, denke ich mir. Innerhalb von Minuten erreichen wir das Plateau und ich spüre die dünne, kalte Luft in meinen Lungen und auf der Haut. Chamonix sieht winzig aus, während die Berge immer imposanter über mir thronen je weiter ich mich ihnen nähere.

Ich stelle mich auf die neuen Größenverhältnisse ein und mache mich auf die Suche nach kletterbaren Linien an den Felsen, die irgendwann mal vom Berg herunterkamen: den Granitblöcken. Viele Elemente dieser Landschaft unterliegen dem stetigen Wandel. Schnee, Gletscher, Bäume, Tiere und Menschen, alles ist vergänglich. Aber die Berge und der raue Granit, aus dem sie bestehen, halten den Elementen besser stand als alles andere.

Die meisten Touristen bleiben in der Nähe der Seilbahn, nur einige wenige trauen sich weiter weg von der Bahn. Außer den Touristen und mir ist niemand da. Das Plateau mit den verstreuten Boulderblöcken ist der perfekte Spielplatz. Viele der Boulderblöcke zeigen ihre wahre Gestalt erst, wenn man direkt davor steht und sie von einer bestimmten Seite aus betrachtet.

Hinter einer Kante versteckt sich ein sauberer Überhang; in einer zunächst einladend aussehenden Platte taucht auf einmal ein Wulst auf. Alpenkrähen kreisen am Himmel und unterbrechen die Stille. Ein Felssturz erinnert daran, dass man den Bergen trotz ihrer leichten Zugänglichkeit immer mit Respekt begegnen sollte. Eine Situation kann schnell ernsthaft werden.

Beim Zustieg und einchalken der Hände lassen sich die Linien langsam erkennen. Dank der kalten Temperaturen ist die Reibung perfekt. Das ist das erste Mal, dass ich in so einer atemberaubenden Umgebung bouldere -  entspanntes Klettern in der Höhe in bestem Fels! Ich erreiche das Top des Boulders und lasse die Landschaft auf mich wirken. Die schiere Größe der Szenerie ist schwer zu erfassen.

Mit einer Hautschicht weniger an den Fingern und frischer Alpenluft in den Lungen kehre ich den Bouldern den Rücken zu und reihe mich in die Schlange an der Gondel ein, die mich zurück in die Zivilisation bringt.

In diesem Tal zu leben ist eine Mischung aus Trubel und Stille. Auf der Plan de L’Aiguille zu bouldern bedeutet der Zivilisation zu entfliehen, um sich neuen Boulder-Problemen zu stellen. Ich denke daran, wo ich gestern noch war und woher ich komme. Von Huyton, 43m über dem Meer, hierher, in die Berge auf 2317m und darüber hinaus.

Film by: Chris Prescott // Dark Sky Media // www.darksky-media.com

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