Eisklettern & Freeriden an der Königin der Wasserfälle
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Was tun an einem Tag in den Dolomiten, an dem stahlblauer Himmel angesagt ist und sowohl die Eis- als auch die Skibedingungen optimal sind? Keine leichte Entscheidung. Einerseits sind Laura Tiefenthaler vom aktuellen DAV Frauen Expeditionskader und ich hoch motiviert, im Eis ein paar Meter zu machen. Wir wollen für die nächste Kadermaßnahme Eisklettern trainieren, bei der wir beide, sie als Teilnehmerin und ich als Ausbilderin, dabei sind. Andererseits sind auch Sonne und Pulverschnee einfach wahnsinnig verlockend...
Doch die Lösung liegt ganz nah. Nachdem ich in den letzten Wochen viel in den Dolomiten unterwegs war, wusste ich, dass die Cassiopeia im Val Lasties, die Königin der ästhetischsten Wasserfälle, gut geformt ist. Nicht nur, dass sie auf dem Eiskletterführer Südtirol als Titelbild abgebildet ist und als schönster und eindrucksvollster Eisfall der Sellagruppe gerühmt wird. Nein, das Beste ist, man kann hier genüßlich in der Sonne das Eisgerät ins Softeis schlagen und hat anschließend eine super Freeride Abfahrt hinunter nach Pian Sciavaneis.
Also nix wie hin! Geplant ist um 8.30 Uhr mit der Bahn zum Pordoi hoch zu fahren, um die Abfahrt durch das Val Lasties noch um einige Powderschwünge zu verlängern. Oben angekommen hüllt sich die Bahnstation in dichten Nebel. Wir entscheiden uns noch für den obligatirischen italienischen Cappuccino an der Bar der Bergstation, um dem blauen Himmel, den wir schon durch die Wolken durchspitzen sehen, eine Chance zu geben.
Aufmerksam behalten wir jedoch den Ausgang der Bahn im Auge und halten nach anderen Eiskletterern Ausschau, die auch gleich mit der zweiten Bahn anrücken. Zum Glück sind es zwei nette Jungs aus München, die uns freundlich den Vortritt in der Abfahrt zum Fall lassen. Eine Chance hätten sie sowieso nicht gehabt, so gut wie Laura selbst mit schwerer Eiskletterausrüstung, Fellen, Bergstiefeln und LVS-Ausrüstung auf dem Ski steht. Bereits die Abfahrt durch die breite Rinne vom Pordoijoch nach Norden und der obere Teil des Val Lasties ist landschaftlich grandios und Cassiopeia hält auch was sie verspricht:
Die ersten zwei fantastischen Eislängen im 5. und 4. Schwierigkeitsgrad sind schnell geklettert, dann kommt kurzes Stapfen und noch eine Länge. Reinstes Genussklettern in der Sonne in absolutem Wahnsinns-Dolomiten-Ambiente. Das Abseilen geht in Nullkommanichts und kurz darauf fahren wir schon wieder mit Ski hinunter nach Pian Sciavaneis und hoffen, dass uns von dort aus irgendjemand mit rauf zum Passo Pordoi nimmt.
Nachdem Trampen bei zwei Mädels bekanntlich nicht allzulange dauert, stehen wir bald drauf schon wieder an der Talstation und überlegen, was wir mit dem angefangenen Tag noch machen. Eine einfache Fahrt für Bergführer mit Begleitung ist an der Pordoibahn spottbillig und so fahren wir noch einmal hinauf, um anschließend durch das berühmte Canale Holzer, das wir beide noch nie gefahren sind, abzufahren.
Das Canale Holzer wurde von Heini Holzer, dem berühmten Steilwandskifahrer der 70er Jahre, erstbefahren und ist nach ihm benannt. Nur 1,54m groß, aber dennoch ein ganz Großer, kann er zahlreiche Erstbefahrungen wie die Marmolata Nordwand, die Cima Tosa oder die Cima Brenta auf seinem Konto verbuchen.
Das Canale Holzer ist sowohl landschaftlich, als auch skifahrerisch kaum zu messen. Wie ein Riese, der mit einem Brotmesser eine dünne Scheibe aus der Nordwestwand des Pordoi hinausgeschnitten hat, zieht sich das Canale durch die Wand. Am Gipfelplateau des Pordoi saugt es uns in seinen rießigen Schlund ein, bietet perfekten Pulver in der Abfahrt, eine kurze Abseilstelle über einen kleinen Eisfall und spuckt uns anschließend in der Abendsonne wieder aus.
Was für ein wunderbares Geschenk war dieser Tag für uns!