Text von Jana Möhrer
Um dem Alltagstrott zu entfliehen und das, zumindest berufliche, Erwachsen-werden noch ein paar Monate hinauszuzögern, packen wir, das sind Clément und ich, unseren Bus und düsen los. Ein fast sieben-monatiger Trip vom Nordkap bis nach Griechenland soll es werden.
Entdeckungshungrig – das sind wir!
Während unserer Reise erkunden wir kletternd, wandernd, auf Rädern und mit dem Gleitschirm die bekannten und weniger bekannten Flecken Europas.
Norwegen
Granit und Meer
Als frisch gebackene Bergführeraspiranten lassen wir im Juni die wochenlang andauernde Hitzewelle in Mitteleuropa hinter uns und fahren immer weiter Richtung Norden. Ein Zwischenstopp auf den Lofoten zeigt uns unglaubliche Möglichkeiten auf. In den Sommermonaten küsst die Sonne um Mitternacht nur kurz den Horizont, bevor sie wieder für 23 Stunden die Fjordlandschaft in warmes orangenes Licht taucht. Da sich hier eine Granitwand an die andere schmiegt und anscheinend endlos in den Himmel aufragt, kann man hier Klettern, bis man vor Erschöpfung umfällt. Die einzigen Grenzen sind das eigene Können/Wollen und das Wetter. Dies meint es aber viel zu gut mit uns. Fast wünschten wir uns ab und zu einen Regentag, um mal ganz in Ruhe durch schnaufen zu können.
Geneigte Risskletterei ist für die Lofoten typisch. Meist bereiten uns die Platten zwischen den Risssystemen die größten Probleme. Klar, die Reibung der Tritte ist enorm, nur die Zwischensicherungen werden in diesen Momenten spärlich – da hilft nur Mut und Vertrauen.
Foto links: Zum Schreien schöne Kletterei in Kvaløya/Norwegen – Granitlinien so weit das Auge reicht, Foto von Clément Thiele.
Foto rechts: Clément Thiele in „Thanatos“ – Faustriss, Norwegen.
Umso weiter wir in den Norden vordringen, desto einsamer wird es. Tagelang sind wir allein, erkunden die uns umgebenden Berge mit ihrem unglaublichen Potential. Magische Wände auf Kvaløya zeigen uns, dass nicht nur im Yosemite grandiose Granitlinien zu finden sind.
Als die Sonne nachts wieder hinter dem Horizont verschwindet, wird es für uns Zeit in den Süden zu fahren. Ein paar klare Herbsttage werden uns noch am Stetind, dem 1393 Meter hohen Nationalbergs Norwegens geschenkt. Zwei Mal stehen wir auf seinem Gipfel, dort oben scheint uns die Welt zu Füßen zu liegen – 1000 Meter fallen die Wände zu fast jeder Himmelsrichtung ab. Was für ein Privileg, hier Klettern zu dürfen.
Abends landet der bisher größte selbst gefangene Fisch in der Pfanne – ein Tag voller Glückseligkeit – und sehr lecker!
Sardinien – oder eher: Ein Urlaub von der Reise?
Nachdem wir fast vier Monate zu zweit unterwegs waren, die Höhen und Tiefen als (Kletter-)Paar erlebt haben, sehnen wir uns nach vertrauten Gesichtern und geliebten Menschen. Kurzentschlossen buchen wir uns die Fähre nach Sardinien: endlich Zeit für einen Urlaub :-)!
Schnorchelnd, kletternd und mit viel Gelato, füllen wir unsere Speicher wieder auf, genießen das einfache, aber wunderschöne SportkletterInnen-Leben…
Foto rechts: Seele baumeln lassen am Ruhetag, Foto von Clément Thiele.
Albanien –
Freizeitluxus trifft auf Realität
Unsere Reise führt uns auch an die Grenzen Europas: Albanien empfängt uns mit einem noch unbekannten Geräusch- und Geruchspegel und einer, sich uns erst später erschließenden, Ordnung im großen Chaos. Trotz der offensichtlichen Armut der Bevölkerung, habe ich in kaum einem anderen Land bisher so offene, freundliche und interessierte Menschen getroffen. Mir wird klar aufgezeigt, wie privilegiert unser Leben, auch das auf der Reise in unserem luxuriös ausgebauten Bus, ist. Ich sehe Menschen, denen es da ganz anders ergeht, die kaum genügend Nahrung haben…
Und diese Menschen bestehen darauf, das Bisschen was sie besitzen, mit uns zu teilen.
Rund um die Hauptstadt Tirana befinden sich Sport- und auch Mehrseillängen-Gebiete. Noch verirren sich nur einzelne Klettertouristen hierher, das Potential ist riesig und die Felsqualität sucht ihres Gleichen.
Leider spült uns der viele Herbstregen Wort-wörtlich aus dem Land.
Griechenland – Klettergenuss mit Anlaufschwierigkeiten
Im Nordwesten des Landes befindet sich Meteora- hier bauten schon im 11. Jahrhundert schwindelfreie Mönche Klöster auf freistehende Konglomeratpfeiler. Deutsche Kletterer aus dem Elbsandstein fanden hier ihr Wintermekka. An Kieseln unterschiedlichster Größe im Konglomeratgestein schiebt, stemmt und zieht man sich an den Wänden der freistehenden Türme hinauf. Gruselig sind nicht nur die Kiesel als Griffe und Tritte, die Aussehen, als würden sie sich gleich aus dem Verbund des Konglomeratgesteins lösen (und dann doch halten), sondern auch die sportlichen Abstände der Sicherungspunkte. Wir klettern weit unter unserem Sportkletter-Niveau. Ich erwische mich zum Beispiel dabei, wie ich um einen Kiesel eine Bandschlinge als Zwischensicherung lege, und bin dabei sehr froh, nicht ganz am Anschlag zu sein und diese „Zwischensicherung“ nicht zu testen :-)
Foto links: Zwischen Himmel und Erde – Klettern um die Klöster Meteoras, Foto von Jana Möhrer.
Foto rechts: Langsam vertrauen wir den Kieseln des Konglomerat Gesteins in Meteora, Foto von Jana Möhrer.
Es fällt uns nicht schwer, im südlichen Griechenland anzukommen. Frappé und ganz viel Souvláki – so fühlen wir uns wohl! Während der Frühwinter über die Alpenländer hereinbricht, baden wir in den heißen Quellen von Edipsos. In Manikia lernen wir die Sinterkletterei kennen – ich habe zunächst Vorbehalte: Im steilen Gelände an großen Griffen zu Klettern – das ist etwas für „Mukkimänner – und Frauen“ und das soll Spaß machen? Ich fühle mich schwach, gerate in Schwierigkeitsgraden, die sonst machbar für mich sind an meine Grenzen.
Meine Stimmung erreicht einen Tiefpunkt…mein Kletter-Selbstbild bekommt große Risse...
Aber meine Freunde ziehen mir Kniepads an und führen mich in die 3D- Klettertechnik (so nenn ich sie auf jeden Fall) ein und siehe da- schnell macht die Bewegung in der Vertikalen wieder viel Spaß! „Schau mal – ohne Hände!“ : Ich kann mir mit meiner zurückgewonnenen Freude die Sprüche nicht verkneifen, während ich von No-Hand-Rest zu No-Hand-Rest klettere.
Empfohlene Ausrüstung
Die Reise neigt sich dem Ende zu – den letzten Monat verbringen wir in der Region um Leonidio. Freunde von daheim aber auch Menschen, die wir auf unserer bisherigen Reise getroffen haben, sind unserer Einladung hier her gefolgt. So feiern wir mit viel Klettern, Gleitschirmfliegen und dem ein oder anderen Ouzo das vergangene halbe Jahr und stoßen auf die gemeinsame Leidenschaft – das Klettern und das Bergsteigen – an: Jámas!
Über Jana
Meine Leidenschaft sind die Berge.
Egal ob beim Sportklettern, auf Ski, im alpinen Felsen, beim Paragliden oder in kalten Nordwänden – ich fühle mich in vielen Disziplinen des Bergsteigens zuhause. In klassischen Touren oder auf noch unbekannten Terrain – das Leben in den Bergen gibt mir ein Gefühl von Abenteuer und Freiheit. Diese intensiven Erlebnisse mit Menschen zu teilen zu dürfen – das ist für mich ein Privileg.
Als Bergführeraspirantin und Medizinerin freue ich mich Teil des Mountain Equipment Teams zu sein.