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No Visum, no Pakistan.

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  • Klettern
  • Robert Grasegger
  • Team

Text: Robert Grasegger

Fotos: Laura Dahlmeier

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No Visum, no Pakistan? Der Reihe nach: Im letzten Winter überlegten sich Laura und ich, dass wir gerne mal wieder auf Expedition gehen würden. Als wir den Laila Peak das erste Mal sahen, war sofort klar: Diese riesige 6000 m hohe und schneebedeckte Granitnadel muss es werden!

Vorbereitungen

Doch wie bereitet man sich auf so eine Expedition vor? In erster Linie war ich diesen Winter viel beim Eisklettern – gutes Krafttraining. Doch um für die Höhe fit zu sein, habe ich meinen Fokus vermehrt auf das Ausdauertraining gelegt. Heißt: Viel Joggen, Berglaufen und Hochtourengehen.

Neben dem vielen Ausdauertraining wollten wir uns auch mit dem Reiseland auseinanderzusetzen. Von Freunden, die schon mal in Pakistan waren, bekamen wir Kartenmaterial und eine Empfehlung für eine einheimische Reiseagentur. Die sollte uns helfen ins Basislager zu gelangen und uns vor Ort zurechtzufinden. Außerdem benötigt man ein Einladungsschreiben einer solchen Agentur, um in das Land zu kommen.

Als die grobe Planung steht, buchen wir unsere Flüge. Laura war zuvor noch beim Skibergsteigen im Iran, weshalb wir unser Visum erst sechs Wochen vor der Reise beantragen können. Da uns die pakistanische Seite nicht so geheuer ist, beauftragen wir sogar eine Agentur. Sie soll unsere Visa beantragen, damit wir hier keine Schwierigkeiten bekommen können. Läuft.

Für solch hohe Berge benötigt man natürlich auch anderes Material, z.B. einen (richtig!) warmen Schlafsack wie den Glacier 1000, ein Zelt fürs Hochlager, wärmere Bergschuhe, Handschuhe (z.B. Redline Mitt) und Daunenjacken (z.B. K7 Jacket) sowie Expeditionsessen. Wir besorgen alles im Vorfeld und fangen zwei Wochen vorher schon an alles zusammenzupacken.

Last Minute Training

Um uns körperlich perfekt auf die Reise und vor allem die große Höhe vorzubereiten, radeln wir kurz vorher von Garmisch nach Chamonix – um dort ohne Hilfsmittel auf den Mont Blanc zu gehen. Beim Radeln läuft alles super: Bis auf ein heftiges Sommergewitter bleiben wir trocken. In Summe verbringen wir rund 550 km und 7000 Höhenmeter (HM) auf vier Etappen im (Rennrad-) Sattel. In Chamonix ist dann der Wetterbericht nicht so gut – und wir entscheiden gleich am nächsten Tag vom Tal aus auf die 3051m hoch gelegene Grand Mulets Hütte aufzusteigen. Bis auf ca. 2200m bleiben unsere Ski am Rucksack, danach geht’s mit den Fellen weiter.

Am nächsten Tag ist die Wettervorhersage immer noch ungünstig. Wir entscheiden uns trotzdem einen Gipfelversuch zu wagen. Auf gut 4200m ist dann aber klar, dass das nicht klappen kann: Witheout, starker Wind und Schneefall machen ein Weiterkommen für uns unmöglich. Dank unserer GPS Uhr und anhand der Aufstiegsspuren geht’s zurück zur Hütte – und nachdem es schlecht bleibt, von dort wieder zurück ins Tal und am nächsten Tag nach Hause.

No Visum, no party?

Dort angekommen dann der Schock: Uns erreicht eine E-Mail, dass unsere Visumsanträge abgelehnt wurden! Alles organisiert und dann so etwas?! Obendrein teilt uns die Agentur auf Rückruf mit, dass unsere Reispässe erst Samstagmittag zurückkämen…

Vollkommen niedergeschlagen gehen wir erst mal zum Radeln – zum Luis auf die Brunnenkopfhütte. Völlig ausgepowert schmieden wir dort neue Pläne: Was tut man topfit und anstatt Pakistan? Richtig: Man läuft erst einmal den Zugspitz Ultratrail! Statt Serien schauen im Flieger nach Pakistan 40 km und 2000 HM laufen, statt 15 h fliegen 4,5 h laufen – auch nicht schlecht…

Und noch einmal haben wir Glück im Unglück: Am Abend des Ultratrails können wir noch zum Auftrieb auf die Oberreintalhütte – zwar mit einem richtigen Muskelkater, aber es war ein sehr netter Hüttenabend!

Plan B

Am nächsten Tag geht‘s dann erst mal (immer noch mit Muskelkater) zurück ins Tal, wo ein Plan B her muss. Nach langem Hin und Her ist klar, dass nur noch ein Trip mit dem Auto infrage kommt. Also schnell meinen Bus vollgeladen, mit allem, was man so gebrauchen könnte: Ski, Steigeisen, Eisgeräte, Badehose, Alpinkletterzeug, Kocher, Schlafsack, Sportkletterzeug und und und …

Klettern

Unser erstes Ziel ist das Val Lanterna, wo wir uns gemütlich einklettern können. Wir klettern die Dotter Panzina (7, 260m) und die Caccia ottobre rossi (8-, 260 m).

Am nächsten Tag geht es ins Val di Mello. Hier klettern wir unter anderem die Gervasutti (6-, 790 m) am Punta Allievi und noch ein paar andere Alpinrouten in Talnähe.

Als im Mello das Wetter schlechter wird – und in Chamonix gut – ist klar, wohin die Reise weitergeht. Von Courmayeur aus fahren wir am nächsten Morgen mit der Seilbahn zur Turiner Hütte und klettern über die Bernezat Spur (6a) auf den Gipfel des Tour Ronde. Am nächsten Morgen geht’s über den Kuffnergrat (5a, 700 m) auf den Gipfel des Mont Maudit. Nach einer weiteren Nacht auf der Turiner Hütte können wir noch die Schweizer Führe auf den Grand Capucin (6b, 500 m) klettern. Von hier aus geht‘s wieder zurück ins Tal und am gleichen Abend noch durch den Tunnel nach Chamonix.

Am nächsten Tag nehmen wir die erste Bahn auf die Aiguille di Midi, wo wir die Midi Plan Traverse machen können – und dort den restlichen Vormittag mit Baguette und Bier am Meer verbringen (am „Meer“ de Glace vom Gipfel der Plan de l’Aiguille).

Biwakieren

Mit Biwakausrüstung bewaffnet gehen wir am nächsten Morgen über die Midi Plan zum Biwakplatz des Grands Charmoz. Hier klettern wir nach einer gemütlichen Nacht in meinem Firelite Schlafsack den Cordier Pillar (7-, 800 m). Die Nacht darauf verbringen wir an der Midi Plan Hütte. Danach machen wir noch die Charles E. am Red Pillar of the Blaitiere (VIII-/265 m). Dann ist leider die Hütte ausgebucht, so dass wir kurzerhand vor der Hütte biwakieren, um am nächsten Tag über die Le Maillon Manquant (7b, 570 m) auf die Aiguille du Peigne zu steigen. Und dann, nach vielen Tagen am Berg, geht es wieder zurück ins Tal, wo wir uns auf eine (gemütliche!) Nacht im Bus freuen.

Radeln

Obwohl wir „ein wenig“ ausgezehrt sind, entscheiden wir uns spontan das Auto Auto sein zu lassen und mit dem Rennrad auszufahren: Am ersten Tag fahren wir nach Le Grand-Bornand (45 km, 1000 HM) und übernachten dort in einer Pension. Tags darauf geht es über ein paar Pässe zurück zum Auto (160 km, 2600 HM).

Dann steht ausnahmsweise einmal Wettercheck und Hallenklettern an. Doch der Wetterbericht verkündet bald wieder gute Nachrichten: Nachdem das Wetter gut werden soll, entscheiden wir uns zur Petit Dru zu gehen.

Tütenessen & Biertrinken

Gesagt getan. Am nächsten Abend stehen wir unter der Dru und sehen unsere ausgewählte Linie in live: Die American Direct! Nach einer Biwaknacht ohne Schlafsack (da man ja alles durch die Wand ziehen muss) geht es ausgeschlafen in die Tour. Der Vorbau ist schnell geschafft, doch dann biegen wir einmal falsch ab. So etwas kann dir in solch einer Wand große Probleme bereiten! Nach der Hälfte der zweiten Seillänge ist klar: Hier sind wir falsch. Und tatsächlich: 50 m neben uns erkennen wir die richtige Route. Durch schräges Abseilen gelangen wir wieder zurück in die Spur – Problem gerade noch rechtzeitig erkannt und gelöst! Um ca. 15 Uhr stehen wir unter der 90m Verschneidung am Bloc Coince. Diese Verschneidung im unteren 8. Grad fordert einem – und uns – alles ab. Aber wir kommen gut voran und gelangen so zur Technolänge. Das ist die Querung von der American Direct zur Nordwand, wo der obere Teil der Route 2003 heruntergebrochen ist.

Im Topo liest sich der obere Teil relativ entspannt… Doch wenn man genau hinschaut, ist er genauso steil wie der untere und dabei noch ein bisschen alpiner und wilder. Wir kommen trotzdem wieder gut voran und erreichen gegen 21 Uhr das Quarzband, welches sich drei Seillängen unter dem Gipfel befindet. Hier richten wir unseren Biwakplatz ein. Streng nach dem Motto „Biwakplätze müssen verdichtet werden“ schaufeln wir uns ein gemütliches Plätzchen auf dem Felsband. Wir schmelzen uns für den nächsten Tag noch Wasser und teilen uns zum Tagesabschluss ein warmes Tütenessen.

Am nächsten Morgen starten wir um 6.30 Uhr – und stehen bereits 1,5 h später auf dem Gipfel der Petit Dru. Ein Traum wird wahr! Diesen Berg bewundere ich, seit ich das erste Mal in Chamonix war. Nicht Pakistan – aber in dem Moment unvergesslich!

Naja, die Petit Dru ist aber nur die halbe Miete: Von hier geht es über Blockgelände rüber zur Grand Dru, wo nochmals zwei spannende Seillängen warten. Dann müssen wir ins Col absteigen und noch ca. 500 m auf der Südseite abseilen, um den Charpua Gletscher zu erreichen. Hier wird es nochmal spannend: Wir haben (nur) Zustiegsschuhe, ein Paar Aluleichtsteigeisen und ein Eisgerät dabei… Der Gletscher ist wild, aber es ist eine solide Spur drin, so dass wir wenig später das erste Bier auf der Charpua Hütte genießen konnten.

Von dort sind es noch ca. 3 h bis zur Montenversbahn. Wir müssen uns also beeilen um die letzte Bahn zu bekommen! Nach dem Bier joggen wir los und sitzen wenig später mit 1000 anderen Menschen in der Bahn. Zurück in der Zivilisation… Im Tal angekommen treffen wir noch ein paar Freunde auf ein Bier und essen endlich wieder etwas Normales.

Ab in den Süden …

Am nächsten Tag ist das Wetter wieder schlecht. Wir verlassen Chamonix und ziehen weiter in die Dauphiné. In Briançon angekommen, geht es als Erstes mit dem Rennrad auf Erkundungstour. Sofern man 85 km und 1700 HM noch so bezeichnen kann…

Den folgenden Tag lassen wir ruhiger angehen, mit gemütlichem Frühstück und Planen weiterer Touren. Das Tagesziel ist heute die Alp d‘Huez. Leider haben wir wohl zu lange gefrühstückt… Am Pass angekommen kommt von beiden Seiten ein Gewitter und wir können die anspruchsvolle Abfahrt nur im Regen genießen – es war wieder saukalt… (Kälter als im Biwak ohne Schlafsack! ).

… der Sonne hinterher!

Danach ist klar: Morgen muss eine Südwand her! Schnell fällt die Wahl auf die Aiguille Dibona, wo wir tags drauf die Visite Obligatoire (7-, 400 m) und die Madier (7-, 400 m) gemütlich in der Sonne genießen.

Nun ist unser Urlaub fast vorbei… Fast! Wir haben ja noch drei Tage, bis ich wieder in die Arbeit muss. So wandern wir am nächsten Tag auf die Promontoire-Hütte (3100m). Unser Ziel ist die Meije Südwand über die Alleinroute (6, 800m). Dieses Mal können wir nicht auf Bergschuhe und Steigeisen verzichten, da wir über die Traverse nach La Grave absteigen wollen. So starten wir am nächsten Morgen schwer bepackt zum Einstieg. Es läuft gut und wir stehen am frühen Nachmittag am Gipfel der Meije. Unglaublich cool! Nun geht‘s am Dent Zsigmondy vorbei über die anderen beiden Zähne bis zur Doigt de Dieu. Von dort runter auf den Glacier du Tabuchet und an der Refuge de l’Aigle (3450m) vorbei ins Tal. Long day out.

Im Tal angekommen steht das Auto natürlich auf der anderen Seite… Dann übernachten wir eben in La Grave – und trampen am nächsten Tag zurück, denn wir finden in La Grave keinen Bus… Von dort geht es dann über Italien nach Hause.

Ohne Visum, aber mit unzähligen tollen Touren und Erlebnissen.

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